Zweitstimme bei der Landtagswahl in Sachsen – Warum die Argumentation der Freien Sachsen nicht aufgeht
Die Überlegungen der Freien Sachsen, die Zweitstimme für sich und nicht für die AfD einzusetzen, sind aus strategischer Sicht nicht sinnvoll.
Die Partei „Die Freien Sachsen“ fordert die AfD Wähler auf, bei der kommenden Landtagswahl in Sachsen mit der Zweitstimme nicht die AfD, sondern die Freien Sachsen zu wählen. Die Sprecher der Freien Sachsen begründen dies damit, dass die AfD ohnehin alle Direktmandate gewinnen würde und einen starken Partner brauche, womit sie sich selbst meinen. Doch diese Argumentation verkennt die Funktionsweise des deutschen Wahlsystems, insbesondere die Bedeutung der Zweitstimme und die Regelungen zu Überhang- und Ausgleichsmandaten.
Die Zweitstimme – Der Schlüssel zur Machtverteilung
Im deutschen Wahlsystem entscheidet die Zweitstimme über die Sitzverteilung im Parlament. Die Erststimme bestimmt lediglich, welcher Kandidat oder welche Kandidatin im jeweiligen Wahlkreis direkt in den Landtag einzieht. Die Zweitstimme ist jedoch entscheidend für die proportionale Verteilung der Sitze im Landtag. Sollte eine Partei mehr Direktmandate gewinnen, als ihr nach den Zweitstimmen zustehen, entstehen Überhangmandate. Diese werden durch Ausgleichsmandate für die anderen Parteien kompensiert, um die proportionale Sitzverteilung gemäß den Zweitstimmen wiederherzustellen.
Szenarien und ihre Auswirkungen auf die Sitzverteilung
Betrachten wir die Auswirkungen der Zweitstimmenverteilung anhand einer Umfrage mit folgenden Ergebnissen:
- AfD: 32,00%
- CDU: 29,00%
- BSW: 15,00%
- Grüne: 5,00%
- Linke: 5,00%
- SPD: 5,00%
- FW: 4,00%
- FDP: 2,00%
- Freie Sachsen: 1,50% (Geschätzt, weil Teil von Sonstiges.)
- Sonstige: 1,50%
Szenario 1: Umfragewerte entsprechen dem Wahlergebnis
Nehmen wir an, die Umfragewerte entsprechen dem tatsächlichen Wahlergebnis, und die AfD gewinnt 45 der 60 Direktmandate.
Sitzverteilung nach Zweitstimmen:
- AfD: 32,00% -> 38 Sitze
- CDU: 29,00% -> 35 Sitze
- BSW: 15,00% -> 18 Sitze
- Grüne: 5,00% -> 6 Sitze
- Linke: 5,00% -> 6 Sitze
- SPD: 5,00% -> 6 Sitze
- Freie Sachsen: 0 Sitze (unter 5%)
Überhang- und Ausgleichsmandate:
Die AfD erhält 7 Überhangmandate (45 Direktmandate - 38 Sitze). Um die Proportionalität zu wahren, erhalten die anderen Parteien insgesamt 7 Ausgleichsmandate.
Endgültige Sitzverteilung:
- AfD: 45 Sitze
- CDU: 42 Sitze
- BSW: 22 Sitze
- Grüne: 8 Sitze
- Linke: 8 Sitze
- SPD: 8 Sitze
Gemeinsame Sitzverteilung AfD + Freie Sachsen:
- AfD allein 45 Sitze (~34%)
Die AfD hat Sperrminorität und der Landtag hat nun 133 Sitze statt der ursprünglich 120.
Szenario 2: Die Freien Sachsen nehmen der AfD genügend Stimmen weg, um die 5%-Hürde zu überwinden
In diesem Szenario nimmt die AfD 3,5 Prozentpunkte weniger ein (28,5%), während die Freien Sachsen auf 5% kommen und damit in den Landtag einziehen.
Sitzverteilung nach Zweitstimmen:
- AfD: 28,50% -> 34 Sitze
- CDU: 29,00% -> 35 Sitze
- BSW: 15,00% -> 18 Sitze
- Grüne: 5,00% -> 6 Sitze
- Linke: 5,00% -> 6 Sitze
- SPD: 5,00% -> 6 Sitze
- Freie Sachsen: 5,00% -> 6 Sitze
Überhang- und Ausgleichsmandate:
Die AfD erhält 11 Überhangmandate (45 Direktmandate - 34 Sitze). Die anderen Parteien erhalten 11 Ausgleichsmandate.
Endgültige Sitzverteilung:
- AfD: 45 Sitze
- CDU: 46 Sitze
- BSW: 23 Sitze
- Grüne: 9 Sitze
- Linke: 9 Sitze
- SPD: 9 Sitze
- Freie Sachsen: 9 Sitze
Gemeinsame Sitzverteilung AfD + Freie Sachsen:
- AfD: 45 Sitze (~30%) + Freie Sachsen 9 Sitze (6%) = 54 Sitze (~36%)
Die AfD hat (ohne die Freien Sachsen) keine Sperrminorität und der Landtag hat nun 150 Sitze statt der ursprünglich 120.
Szenario 3: Die Freien Sachsen verpassen knapp die 5%-Hürde
In diesem Szenario sinkt der Anteil der AfD ebenfalls auf 29%, jedoch schaffen die Freien Sachsen knapp nicht die 5%-Hürde.
Sitzverteilung nach Zweitstimmen:
- AfD: 29,00% -> 35 Sitze
- CDU: 29,00% -> 35 Sitze
- BSW: 15,00% -> 18 Sitze
- Grüne: 5,00% -> 6 Sitze
- Linke: 5,00% -> 6 Sitze
- SPD: 5,00% -> 6 Sitze
- Freie Sachsen: 0 Sitze (unter 5%)
Überhang- und Ausgleichsmandate:
Die AfD erhält 10 Überhangmandate (45 Direktmandate - 35 Sitze). Die anderen Parteien erhalten 10 Ausgleichsmandate.
Endgültige Sitzverteilung:
- AfD: 45 Sitze
- CDU: 45 Sitze
- BSW: 23 Sitze
- Grüne: 9 Sitze
- Linke: 9 Sitze
- SPD: 9 Sitze
Gemeinsame Sitzverteilung AfD + Freie Sachsen:
- AfD allein 45 Sitze (~32%)
Dank der Freien Sachsen hat die AfD nun keine Sperrminorität und der Landtag hat nun 140 Sitze statt der ursprünglich 120.
Fazit: Die Zweitstimme entscheidet über die Machtverhältnisse
Die Überlegungen der Freien Sachsen, die Zweitstimme für sich und nicht für die AfD einzusetzen, sind aus strategischer Sicht nicht sinnvoll. Selbst wenn die AfD viele Direktmandate gewinnt, bleibt ihre Macht durch das System der Ausgleichsmandate im Rahmen des proportionalen Kräfteverhältnisses begrenzt.
In Szenario 1 und 3, wo die Freien Sachsen die 5%-Hürde nicht nehmen, bleibt die gemeinsame Sitzanzahl von AfD und Freien Sachsen bei 45 Sitzen. Erst in Szenario 2, wo die Freien Sachsen über 5% kommen, erhöht sich die gemeinsame Sitzanzahl auf 54 Sitze, jedoch zu Lasten der Proporzverhältnisse, die durch zusätzliche Ausgleichsmandate für andere Parteien wiederhergestellt werden.
Die Zweitstimme ist daher entscheidend, um das Machtgefüge im Landtag zu bestimmen. Ein Verlust von Zweitstimmen zugunsten der Freien Sachsen könnte dazu führen, dass diese zwar in den Landtag einziehen, die AfD jedoch durch die entstehenden Ausgleichsmandate insgesamt weniger Einfluss hat. Es ist daher wichtig, die Bedeutung der Zweitstimme zu verstehen und strategisch zu wählen, um das gewünschte politische Ergebnis zu erzielen.
Nun stellt sich mir persönlich noch die Frage: Ist es Unwissenheit oder Kalkül, das die Freien Sachsen zu solchen Kampagnen bewegt?